Die wirtschaftlichen Erwartungen deutscher Unternehmen im Ausland haben sich im Frühjahr 2025 spürbar eingetrübt. Laut dem aktuellen AHK World Business Outlook sind die Perspektiven vielerorts von Zurückhaltung geprägt - insbesondere vor dem Hintergrund globaler Handelsveränderungen und neuer wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Die Ankündigung neuer US-Zölle am sogenannten „Liberation Day“ (2. April 2025) hat viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre strategische Ausrichtung zu überdenken.
„Die neue US-Handelspolitik beeinflusst globale Lieferketten spürbar“, erklärt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Viele Unternehmen reagieren mit Vorsicht und überprüfen ihre internationalen Investitions- und Expansionspläne angesichts eines zunehmend dynamischen Marktumfelds.“
Gedämpfte Erwartungen: Unternehmen beobachten Entwicklung aufmerksam
Die Befragung von 4.600 Unternehmen in über 90 Ländern zeigt, dass sich die Erwartungen hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung an vielen Standorten abgeschwächt haben. Nur noch 19 Prozent der Befragten gehen von einer Verbesserung aus, während 33 Prozent eine Verschlechterung erwarten. Der Saldo liegt bei minus 14 Punkten und damit unter dem langfristigen Durchschnitt.
Die Zurückhaltung ist in Nordamerika besonders ausgeprägt. In Kanada, Mexiko und den USA hat sich das Geschäftsklima merklich abgekühlt. Auch in Greater China sowie in Ost- und Südosteuropa zeigen sich ähnliche Tendenzen. Positiver ist die Stimmung hingegen in Afrika und im Nahen Osten, wo 40 Prozent der Unternehmen eine wirtschaftliche Belebung erwarten - ein ermutigender Ausblick inmitten globaler Herausforderungen.
US-Handelspolitik verändert Einschätzungen weltweit
Nach der Ankündigung neuer Zölle durch die US-Regierung rechnen inzwischen 69 Prozent der Unternehmen weltweit mit geschäftlichen Auswirkungen - ein Anstieg gegenüber 56 Prozent vor dem 2. April. Besonders stark ist die Sensibilität in Nordamerika: Dort erwarten 85 Prozent der deutschen Unternehmen Einflüsse auf ihre Geschäftstätigkeit.
Die Unternehmen berichten unter anderem von Planungsunsicherheiten sowie einer möglichen Verschiebung von Handelsströmen. Einige beobachten zudem veränderte Preisstrukturen infolge der Zölle. In Teilen Südostasiens wächst die Sorge, dass höhere Exporte aus China neue Wettbewerbssituationen schaffen könnten. Zugleich gibt es Unternehmen, die in einer stärkeren Regionalisierung der Lieferketten auch Chancen sehen - etwa durch Diversifizierung oder stärkere innergemeinschaftliche Handelsbeziehungen innerhalb der EU.
Investitionen und Personalplanung mit Augenmaß
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen zeigen sich Unternehmen bei Investitionen zurückhaltender. Der globale Saldo der Investitionsabsichten liegt nun bei 7 Punkten - ein Rückgang gegenüber dem Herbst 2024 (12 Punkte) und unter dem langjährigen Mittel. 28 Prozent der Unternehmen planen mit höheren Investitionen, während 21 Prozent Reduzierungen erwägen.
In den USA ist erstmals seit der Pandemie ein negativer Investitionssaldo zu verzeichnen. Auch in Kanada und Mexiko zeigen sich ähnliche Entwicklungen. In Regionen wie Sub-Sahara-Afrika und im Nahen Osten bleibt die Investitionsbereitschaft dagegen auf einem stabilen Niveau.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Beschäftigung. Zwar plant rund ein Drittel der Unternehmen, neue Mitarbeitende einzustellen, jedoch rechnen 16 Prozent mit einem Personalabbau. Der globale Saldo sinkt dadurch auf 15 Punkte. Auch hier zeigt sich Nordamerika als vorsichtigste Region, während insbesondere in der MENA-Region und in Subsahara-Afrika positive Beschäftigungserwartungen bestehen bleiben.
Neue Gewichtung der Risiken: Wirtschaftspolitik im Fokus
In diesem Jahr rückt die wirtschaftspolitische Unsicherheit weltweit stärker in den Fokus der Unternehmen. 49 Prozent nennen sie als zentrales Risiko - knapp vor der Nachfrageentwicklung mit 46 Prozent. Besonders in Nordamerika beobachten Unternehmen die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Entscheidungen intensiv. Auch neue Handelsbarrieren, Fachkräftemangel und steigende Arbeitskosten spielen aus Sicht vieler Firmen eine Rolle.
In Europa wird die Situation ähnlich eingeschätzt. In der Eurozone nannten zuletzt 55 Prozent der Unternehmen wirtschaftspolitische Herausforderungen als zentralen Risikofaktor - ein Indiz dafür, dass die wirtschaftliche Lage zunehmend von politischen Rahmenbedingungen beeinflusst wird.
Langfristige Herausforderungen im Blick
Mit Blick auf die kommenden fünf Jahre bereiten insbesondere zunehmende Handelsbarrieren (77 Prozent), politische Einflussfaktoren auf Lieferketten (63 Prozent) sowie Marktverzerrungen durch Subventionen (32 Prozent) Sorgen. Auch globale Megatrends wie Inflation und geldpolitische Entwicklungen (42 Prozent), digitale Transformation und Künstliche Intelligenz (jeweils 40 Prozent) sowie die geopolitische Fragmentierung stehen auf der Liste der unternehmerischen Herausforderungen.
Für viele Firmen bedeutet dies: Anpassungsfähigkeit, technologische Innovation und partnerschaftliche Vernetzung werden in den kommenden Jahren noch stärker an Bedeutung gewinnen.
Unternehmen wünschen sich verlässliche Rahmenbedingungen
„Viele Unternehmen zeigen eine beeindruckende Fähigkeit zur Anpassung, auch in einem komplexer werdenden Umfeld“, so Treier. „Damit diese Stärke langfristig Wirkung entfalten kann, brauchen sie verlässliche politische Rahmenbedingungen -sowohl national als auch international.“