EKONID: Das EU–Indonesien-CEPA befand sich über ein Jahrzehnt lang in der Verhandlungsphase, und nun wurden die Verhandlungen abgeschlossen. Was hat die Schlussphase beschleunigt?
Carsten Sorensen: In den letzten zwei Jahren der Verhandlungen gab es eine deutliche Beschleunigung, aber der eigentliche Endspurt begann, als sich der geopolitische Kontext im Bereich Handel erheblich veränderte – als eine große Wirtschaftsmacht entschied, dass regelbasierter Handel keine Priorität mehr ist. Wenn man seine Märkte diversifizieren, seine Lieferketten erweitern und eine stabile, vorhersehbare Partnerschaft schaffen möchte, wurde noch deutlicher, dass es in unserem gemeinsamen Interesse liegt, den Worten Taten folgen zu lassen, das Abkommen abzuschließen und über die Ziellinie zu bringen.
Der geopolitische Kontext hat eindeutig zur Beschleunigung beigetragen. Er hat die Grundlagen nicht verändert, aber den Nachdruck auf die Bedeutung des Abschlusses verstärkt.
EKONID: Wie ist der aktuelle Stand, und welche Schritte folgen bis zum Inkrafttreten?
Carsten Sorensen: Die Verhandlungen sind abgeschlossen. Das Abkommen ist jedoch noch nicht unterzeichnet.
Der Prozess verläuft wie folgt: Nach Abschluss der Verhandlungen steht der Text fest. Er wird nicht mehr geändert. Danach folgt die sogenannte rechtliche Prüfung (legal scrubbing). Das bedeutet, dass spezialisierte Juristen beider Seiten den Text gemeinsam durchgehen, um Inkonsistenzen zu beseitigen und sicherzustellen, dass Formulierungen eindeutig sind. Der Textinhalt bleibt unverändert – es geht nur darum, Konsistenz und Präzision zu gewährleisten.
Ein Beispiel: Diese Texte wurden über mehr als zehn Jahre verhandelt. Es kann vorkommen, dass sich Artikelnummern geändert haben, auf die verwiesen wird – also wird überprüft, ob die Verweise korrekt sind. Oder man stellt fest, dass in einem Satz ein Verb fehlt, was den Sinn unverständlich macht; beide Seiten müssen dann prüfen, welches Verb ursprünglich gemeint war.
Anschließend werden Übersetzungen angefertigt. Für Indonesien ist das relativ einfach, da es nur Bahasa Indonesia gibt. In der EU hingegen gibt es 24 Amtssprachen. Man erkennt also, wie viel Präzision erforderlich ist – und selbst im Zeitalter der KI braucht dieser Prozess Zeit.
Nach der rechtlichen Prüfung und den Übersetzungen wird der Text unterzeichnet und gilt dann als endgültig. Danach folgt die Ratifizierung.
Auf EU-Seite wird das Abkommen dem Europäischen Parlament vorgelegt. Wir sprechen hier von einem EU-only-Abkommen. Alles, was im Text steht, liegt ausschließlich in der Zuständigkeit der EU. Es gibt keine nationalen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten. Bei sogenannten gemischten Abkommen ist zusätzlich die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente aller Mitgliedstaaten erforderlich; hier ist das nicht der Fall.
EKONID: Es wurde erwähnt, dass das Abkommen voraussichtlich 2027 in Kraft treten soll. Hat das mit Indonesiens Status als Land mit mittlerem Einkommen zu tun?
Carsten Sorensen: Unser Ziel ist es, das Abkommen bis Ende 2026 zu ratifizieren und in Kraft treten zu lassen.
Am 1. Januar 2027 tritt Indonesiens Graduation aus dem GSP in Kraft. Die EU gewährt Entwicklungsländern Zollvergünstigungen – das sogenannte Allgemeine Präferenzsystem (General System of Preferences, GSP). Indonesien hat diesen Status verloren und gilt nun gemäß UNDP-Klassifizierung als Land mit mittlerem Einkommen, was bedeutet, dass es keinen Anspruch mehr auf diese einseitigen Zollvergünstigungen hat. Um eine Lücke zu vermeiden, in der das GSP endet, CEPA aber noch nicht in Kraft ist, ist das Ziel eine Ratifizierung bis Ende 2026. Das hängt jedoch von vielen Faktoren ab: von der Geschwindigkeit der rechtlichen Prüfung und von der Haltung unserer Parlamente.
EKONID: Welche Zollabdeckung wird CEPA erreichen?
Carsten Sorensen: Kurz gesagt, CEPA wird die Zölle auf nahezu alle Produkte zwischen beiden Seiten abschaffen – 98-Komma-irgendetwas Prozent für Indonesien und 99-Komma-irgendetwas Prozent für die EU. Wertmäßig liegt das nahezu bei 100%. Mit CEPA gehen also nahezu alle Einfuhrzölle auf null für alles, was vom Abkommen erfasst wird.
Von EU-Seite werden die Zölle ab dem ersten Tag des Inkrafttretens auf null gesenkt. Für Indonesien gilt: Einige Produkte werden sofort zollfrei, andere innerhalb einer Übergangsfrist von maximal fünf Jahren. Nach fünf Jahren sind alle Zölle abgeschafft.
EKONID: Abgesehen von Zöllen – welche weiteren Beispiele gibt es, wie CEPA den Handel und die Investitionen zwischen der EU und Indonesien verbessern kann?
Carsten Sorensen: Ein zentrales Beispiel sind nichttarifäre Handelshemmnisse. Im Warenhandel gibt es zwei Hauptaspekte: die Zölle beim Grenzübertritt und die Möglichkeit, dass ein Produkt die Grenze überschreitet und vermarktet werden kann. Für Letzteres – also sogenannte nichttarifäre Hemmnisse (z. B. Bürokratie, Ermessensentscheidungen) – schafft CEPA Regelungen.
Das ist das zweite große Element, das CEPA behandelt. Oft liegt der größte Mehrwert eines Abkommens gerade in der Beseitigung dieser „Hinter-der-Grenze“-Hindernisse.
Ein weiteres Beispiel ist die Importlizenzierung. Viele potenzielle Investoren möchten in diesen großen Markt investieren, verlangen jedoch mehr Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit. Das Abkommen enthält genau das – einschließlich vereinfachter Genehmigungsverfahren. Ziel ist es, Investitionen zu erleichtern.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie CEPA neue Sicherheit und Berechenbarkeit schafft, die entscheidend sein werden, um mehr Investitionen anzuziehen.
EKONID: Das erklärt, warum Transparenz im Abkommen so oft erwähnt wird. Wie wird dies im Zusammenhang mit Standards und Vorschriften umgesetzt?
Carsten Sorensen: Das Abkommen wahrt das Recht jeder Partei, selbst zu regulieren. Jede neue Regelung mit Handelsauswirkungen, die eine der Parteien erlässt, unterliegt Transparenzanforderungen: Veröffentlichung, damit Interessenträger sie prüfen können, und ausreichend Zeit zwischen Veröffentlichung und Inkrafttreten, damit Unternehmen sich anpassen können.
Beide Seiten haben sich verpflichtet, soweit wie möglich internationale Standards zu verwenden, um Unterschiede durch nationale Zusatzanforderungen zu vermeiden. Grundsätzlich gelten die EU-Regeln für alle 27 Mitgliedstaaten; die EU bietet also 27 Märkte in einem grenzenlosen Binnenmarkt. Sobald ein Produkt in der EU zugelassen ist, kann es überall verkauft werden.
Innerhalb der EU werden gemeinsame Standards geschaffen, die überall gelten – ein Standard, eine Regel, nicht 27. Das ist ein oft unterschätzter wirtschaftlicher Vorteil der EU.
EKONID: Und wie sieht es mit dem Investitionsschutz aus?
Carsten Sorensen: Dafür gibt es ein separates Abkommen – ein Investment Protection Agreement (IPA). Es ist ein eigener Text, folgt aber denselben Verfahren und ist Teil des gesamten CEPA-Pakets.
Das Investitionsschutzabkommen ist ein klassisches Abkommen zwischen Staaten. Es gibt kein Investor-zu-Staat-Element. Das könnte in Zukunft erwogen werden, ist derzeit aber nicht vorgesehen.
EKONID: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen erwartet die EU durch CEPA?
Carsten Sorensen: CEPA ist ein Türöffner. Es ist noch nicht in Kraft, und wenn es soweit ist, wird es sicherlich einige Zeit dauern, bis Unternehmen es auf beiden Seiten vollständig nutzen. Unsere Aufgabe besteht darin, uns auf die Umsetzung vorzubereiten. Schon jetzt schafft CEPA Vertrauen und Interesse.
Es gab viel mediale Aufmerksamkeit. Mein Handelskommissar ist eigens zur Abschlussrunde der Verhandlungen nach Indonesien gereist, um das Engagement und die Präsenz der EU zu unterstreichen. Die EU möchte Indonesien deutlicher in den Fokus rücken und zeigen, dass es konkrete Chancen gibt, die genutzt werden sollten.
Noch wichtiger ist jedoch: Wir haben, denke ich, ein sehr gutes Abkommen erzielt. Aber letztlich ist ein Vertrag nur so viel wert, wie wir daraus machen. Das Spiel ist nicht vorbei. Wir müssen sicherstellen, dass die Dinge tatsächlich umgesetzt werden – dass keine Lücke zwischen dem Möglichen und dem tatsächlich Umgesetzten entsteht.
Die Wirtschaft war von Anfang an eng eingebunden und bleibt ein zentraler Bestandteil des Prozesses. Wir tun dies, um unseren Unternehmen bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Und ich bin sicher, dass die indonesische Seite die gleiche Motivation hat. Während der Umsetzung wird der kontinuierliche Dialog mit der Industrie entscheidend sein, um Engpässe und Schwierigkeiten zu erkennen. Es ist ein lebendiger Prozess.